Wir kennen das schon. Wenn es Richtung Jahresende geht in Deutschland, entlässt der VfB Stuttgart seinen Trainer und irgendwelche Sportlerinnen lassen ihr Leibchen fallen und sich in erotischer Pose für einen Kalender ablichten. Dieses Jahr ist alles ein bisschen anders. Nicht nur, weil Bruno Labbadia immer noch Trainer beim VfB ist. In diesem Jahr gibt es nämlich einen Kalender, der sehenswert ist, obwohl an nackter Haut nichts zu sehen ist, was man sonst auf der Straße oder in der Halle nicht sieht. Der Kalender, den die Frauen der HSG Deizisau/Denkendorf und die Männer des TSV Denkendorf gemacht haben, hebt sich von anderen ab, gerade weil er nicht auf Erotik setzt.
Angefangen hat das ganze Ausgeziehe vor Jahren in Hamburg, als die dortigen Volleyball-Frauen auf diese Weise demonstrierten, dass sie nichts auf der Brust haben – nämlich keine Werbung. Das war eine witzige, weil neue Idee, brachte kurzfristig Geld und wenn ich mich richtig erinnere irgendwann auch den gewünschten Trikot-Sponsor. Hier in der Region waren die Fußballerinnen des VfL Sindelfingen die Ersten, die sich hüllenlos auf den Platz stellten und daraus einen Kalender machten. Und das gleich mehrmals. Seither gibt es x-fache Nachahmerinnen und keine sportliche Großveranstaltung, vor der sich nicht in dem Heft mit dem Häschen meistens weniger bekannte Teilnehmerinnen entsprechend ablichten lassen.
Als vor ein paar Jahren die damaligen Regionalliga-Handballer des TSV Deizisau auszogen, um sich auszuziehen, war das Neue daran, dass es ausnahmsweise Männer waren und man hat dem Werk auch angesehen, dass sich die TSV-Cracks dabei nicht zu wichtig genommen haben. Jüngstes Kalender-Beispiel ist bei den Zweitliga-Frauen der TuS Metzingen zu sehen, die sich in Unterwäsche in eine Fabrikhalle stellten und vom hiesigen Pressefotografen nicht sehr einfallsreich, aber künstlerisch wertvoll – weil schwarz-weiß – fotografieren ließen. Das Teil läuft im Vor-Weihnachtsgeschäft.
Jetzt aber zur HSG. Dort ersetzten sie den Verzicht auf Klamotten durch eine gute Idee und eine sehr gelungene Umsetzung durch die Handball-Models, die Fotografin und die Grafik. Szenen aus dem Handball wurden in den Alltag integriert. Mitten im Leben also. Da wird im Supermarkt ein Salatkopf geworfen, ist man im Flugzeug-Terminal halb in Business- und halb in Handball-Klamotten unterwegs oder der Muffel auf dem Sofa zeigt der aufgebrezelten Freundin die grüne Karte. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, könnte diese Szene bei den beiden Models im täglichen Beziehungsleben tatsächlich so ähnlich vorkommen.
Unsere Mitarbeiterin Stefanie Dörre, eine Fußballerin aus Deizisau übrigens, hat für die heutige EZ-Ausgabe eine Geschichte über den Kalender geschrieben, das Sofa-Bild ist da auch zu sehen. Mein Lieblingswort in dem Text ist: „Großelterntauglich.“ Dieser Kalender macht echt Spaß und wird auch in der Sportredaktion seinen Platz finden. Und was lernen wir aus dem Ganzen mal wieder: Handballer sind auch bloß Menschen.