Eine Sport-Woche, die ich nicht so schnell vergessen werde, liegt hinter mir. Am Sonntag die Wutrede von Bruno Labbadia und gestern die Wutrede von Arne Kühr. Ich habe in meinem Text für die morgige EZ-Ausgabe (Seite 23!) zwar auch das Wort „Wutrede“ verwendet, weil Kührs Worte nach der Schlappe der Nellinger Handball-Frauen gegen Halle-Neustadt damit am besten umschrieben sind. Einen direkten Bezug zu Labbadia habe ich in meinem Text aber nicht gezogen. Ich denke, darauf kommen die meisten Leser selbst. Aber es gab eben einen entscheidenden Unterschied: Labbadia hat in der VfB-Pressekonferenz nach dem 2:2 gegen Leverkusen gegen die schreibenden Journalisten geschossen (und dabei vor allem einen geschätzten Kollegen aus dem Stuttgarter Pressehaus gemeint), Kührs Ärger aber galt den Nellinger Spielerinnen. Zu mir als Journalist war er wie immer ganz freundlich.
Der Mann war sauer. Ich hab längst nicht alles, was ich in meinem Block stehen habe, in meinem Artikel untergebracht, obwohl ich das Foto zugunsten von Text schon ein gutes Stück kleiner gezogen habe. Dass Kühr mit der Leistung der Hornets nicht zufrieden war, ist eine Sache. Das habe ich bei seinen Vorgängern Stefan Haigis oder Heiko Fleisch auch schon erlebt. Bemerkenswert und Sorgen bereitend finde ich, dass es da um sehr grundsätzliche Dinge ging: Er hat die Mentalität kritisiert, die Einstellung, das Auftreten. Und das auf massive Weise. Wobei ich allgemein das Gerede über die Einstellung eigentlich nicht so richtig verstehe. Eigentlich sollte man ja davon ausgehen, dass alle Sportler rausgehen und gewinnen wollen. Das hab ich ein paar Spielerinnen gestern auch gefragt. Die Antwort: „Ja schon, aber…“
Kühr ist nach dem Spiel in der Kabine ziemlich laut geworden und ich musste ziemlich lange auf ihn warten. Jetzt will er eine Reaktion sehen, hat er gesagt. Die hat er nach der Schlappe in der Woche davor bei Ober-Eschbach aber auch schon verlangt. Und mein Eindruck ist (zumindest war er es gestern), dass er seine Zweifel hat, dass diese Reaktion kommen wird. Man wird sehen.
Kühr weiß, dass auch er irgendwann in die Kritik geraten wird, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. 4:6 Punkte und Platz zwölf sind nicht das, was man sich in Nellingen vorgestellt hat – auch wenn von Aufstieg diesmal keiner redet. Vielleicht ist ja auch die totale Kehrtwende von „Wir müssen unbedingt“ zu „Wir müssen gar nicht“ zu groß gewesen. Aber das ist ein anderes Thema und nicht in ein paar Sätzen abzuhandeln. Zumal ich das „Unbedingt“ vergangene Saison ja ein paar mal kritisiert habe. Gestern waren alle einfach nur sauer und frustriert.
Und hat Kühr Recht? Die Spielerinnen haben gleich kleinlaut „Ja“ gesagt. Es ist schon so, dass den Hornets Typen fehlen, die den anderen auch mal in den Allerwertesten treten, wenn sie es für nötig erachten. Marion Radonic war so eine, Steffi Urbisch (die ich gestern mal wieder in der Halle gesehen habe) noch früher auch. Annika Schmid, die im Sommer aus beruflichen Gründen gegangen ist, hätte ich das auch zugetraut. Kühr hofft auf die noch verletzten Neuzugänge Zofia Fialekova und Lucyna Wilamowska. Andererseits haben auch die vorhandenen Spielerinnen gezeigt, dass man mit ihnen gewinnen kann. Und vielleicht hat der Trainer mit seinem Ausbruch ja auch die eine oder andere wachgekitzelt. Andere Spielerinnen backen kann er sich jedenfalls nicht. Deshalb liegt in seiner Offenheit, die ich gut finde, auch ein gewisses Risiko. Für ihn und für den Verein. Am Samstag gibt`s gleich das nächste Heimspiel. Spannend wird das.