Kaum zu glauben, aber aus verschiedenen Gründen hatte es das, also DAS, Esslinger Stadtderby zwischen der SG Hegensberg/Liebersbronn und dem Team Esslingen seit sieben Jahren nicht mehr gegeben. Über das am Samstagabend an der Römerstraße wird man in der hiesigen Handballszene aber noch eine Weile reden. Und es wird wohl fast eben diese Weile brauchen, bis alle Emotionen verraucht sind. Es war klar, dass es heiß werden würde. Es war klar, dass es umkämpft sein würde. Aber, sagen wir mal so: Der Autor dieser Zeilen lag mit seiner Einschätzung im Vorfeld, zwischen den beiden Spielgemeinschaften gebe es eine „Rivalität mit einer freundschaftlichen Note“ nicht ganz richtig. Zumindest, was dieses Spiel betrifft. Es gibt auf beiden Seiten Leute, die sich schätzen, es gibt welche, die sich mögen, es gibt welche, die schon immer sticheln.
Die Stichler haben nun ein bisschen mehr Futter bekommen. Das hat auch mit der Szene 29 Sekunden vor Schluss zu tun. Aber nicht ausschließlich, wie der erklärt, der sie ausgelöst hat. Bei einer Fünf-Tore-Führung eben zu diesem Zeitpunkt nahm Team-Trainer Volker Pikard eine Auszeit. Da, das ist klar, ging es nicht mehr um taktische Anweisungen, um den Vorsprung über die Zeit zu bekommen. „Ich habe lange mit mir gerungen, dann habe ich mich dazu entschieden“, erklärt der Coach – und bezeichnet es angesichts des sicheren Sieges als Reaktion „auf einen respektlosen Instagram-Post von Hegensberg/Liebersbronn am Freitag“. Eine Provokation als Reaktion auf eine Provokation.
Er wisse nicht, von wem dieser Post kam und ob er in der SG-Mannschaft bekannt sei, sagt Pikard. Jedenfalls ist er mittlerweile gelöscht. Seine Reaktion aber ist in der Welt. HeLi-Trainer Armin Dobler, der sich im Vorfeld sehr wertschätzend über den Kollegen geäußert hatte, wollte die Sache gleich nach Spielschluss mit Pikard klären. Das Gespräch fiel offensichtlich kurz aus. Am heutigen Montag, der Ärger ist noch nicht ganz abgeklungen, sagt Dobler: „Für mich bleibt das ein unsportliches Verhalten.“ Was dem vorausgegangen sei, habe er nicht mitbekommen und sei für ihn auch nicht entscheidend: „Ich versuche, mich aufs Sportliche zu konzentrieren. Vor und während des Spiels lag darauf auch der Fokus.“
Pikard hat derweil einige Reaktionen auf die Aktion bekommen – in der Natur der Sache und des Blickwinkels liegend positive wie negative. „Ich wäre vielleicht auch sauer gewesen“, zeigt er ein gewisses Verständnis für die andere Seite. Und antwortet auf die Frage, ob er es wieder tun würde: „Ich glaube, vielleicht nicht.“
Dabei hätte das Sportliche nach dem 30:25-Sieg des Teams alleine genug Stoff für Diskussionen gegeben. Etwa die Frage, ob die Rote Karte gegen Marcel Planitz in der 23. Minute gerechtfertigt war. Für die meisten bei HeLi war sie das nicht und auch mein Kollege Andreas Pflüger, der in der Halle war (und selbst ehemaliger Handballer ist) bezeichnetet die Szene als „harmlose Abwehraktion“. Pikard sah das anders. „Ich hätte vielleicht nicht Rot gegeben, aber das wird nach der neuen Regelauslegung oft so entschieden“, sagt er, „aber zwei Minuten waren es mindestens, es war ein Stoßen in der Luft.“
Beide Trainer betonen indes, dass sie die Stimmung drumherum und etwa die Gesänge beider Fanlager in Ordnung fanden. Und auch ein gewisses Maß an Emotionen. Die Heli-Anhänger müssen erdulden, dass sich das Team nun wieder als die Nummer eins des Esslinger Handballs fühlt und feiert. Wobei gerade Pikard betont, dass der Unterschied wahrlich nicht groß sei. In Zahlen: Drei Tabellenplätze und aufgrund der unterschiedlichen Zahl an Spielen ein Minus- beziehungsweise drei Pluspunkte.
Auszeit-Nehmer Pikard hofft indes, „dass sich die Wogen bald glätten“. Er wolle auch noch mal mit Dobler das Gespräch suchen. Immerhin haben die beiden Spielgemeinschaften auch gemeinsame Projekte wie das Marktplatzturnier oder den kommenden EZ-Pokal. Und überhaupt ein gemeinsames Interesse, den Esslinger Handball voranzubringen. Dafür sind Derbys durchaus gut. Und das Salz in der Suppe. Derbys mit Emotionen. Aber in einem fairen Rahmen.
Pikard präzisiert noch, in welchem Zeitraum er sich das Glätten der Wogen vorstellt. Bis zum nächsten Aufeinandertreffen dauert es keine sieben Jahre, sondern laut Plan knapp zehn Wochen. Letzter Spieltag, 20. Mai, 20 Uhr 15, Schelztorhalle.