Heute gilt es

Dagur Sigurdsson steht vor seinem letzten Turnier als Handball-Bundestrainer. Heute (17.45 Uhr) geht es für das DHB-Team mit dem Spiel gegen Ungarn los. Fotos: dpa (2)

Frisch-Auf-Kapitän Manuel Späth erfreut die EZ-Leser ja heute mit seiner ersten WM-Kolumne „Späthlese“. Wie angekündigt, werde ich euch hier während des Turniers hin und wieder Kolumnen präsentieren, die wir von unseren Partnern aus der Kooperation G14+ bekommen. Vor allem von Christian Schwarzer (Donaukurier) und von meinen Kollegen Arne Wohlfahrt, der für die „Wetzlarer Neue Zeitung“ und damit auch für euch in Frankreich ist. Heute hatten wir ja schon sein sehr gelungenes Porträt von Dagur Sigurdsson im Blatt.
Hier also Schwarzer und Wohlfahrt:

Deutsche Stärke ist die Ausgeglichenheit

Von Christian Schwarzer

Heute gilt es: Die deutsche Nationalmannschaft startet gegen Ungarn in die WM. Ein guter Auftakt ist besonders wichtig fürs Selbstvertrauen: Die anderen haben Angst, dass die deutsche Mannschaft erfolgreich ins Turnier startet, weil sie dann nur schwer zu stoppen ist. Das hat das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson bei der EM bewiesen.

Die größte Stärke der Deutschen – und das seit Jahren – ist der Teamgeist. Außerdem ist das Spiel unserer Mannschaft im Gegensatz zu anderen Nationen nicht auf einen einzelnen Star zugeschnitten. Natürlich wird es wieder auf EM-Held Andreas Wolff ankommen, doch ein Torhüter steht und fällt mit der Abwehr. Da haben Finn Lemke und Hendrik Pekeler vor einem Jahr einen super Job gemacht. Bei Olympia hat sich Julius Kühn in den Vordergrund gespielt. Die Deutschen sind so ausgeglichen besetzt, dass in jedem Spiel ein anderer auftrumpfen und den Unterschied machen kann. Sportlich gesehen müsste meiner Meinung nach auch Holger Glandorf im Aufgebot stehen, aber der Routinier ist nur als Hilfe im Notfall vorgesehen.

Dass Sigurdssons Abschied nach dem Turnier schon länger feststeht, kann Motivation und Hemmschuh zugleich sein. Die Jungs werden mit Sicherheit alles geben, aber sie sind keine Computer, sondern Menschen mit rationaler Denkweise. Es könnte sein, dass Nuancen fehlen, und die geben auf diesem Niveau den Ausschlag. Es wird spannend zu beobachten sein, inwieweit der Coach das Team noch erreicht.

– Christian „Blacky“ Schwarzer (47) erzielte für die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes in 319 Einsätzen 949 Tore. 2000 gewann der Kreisläufer die Champions League, 2004 holte er Olympia-Silber und 2007 wurde er Weltmeister im eigenen Land.

Tagebuch aus Rouen: Mit Heizung oder mit Rauch?

Von Arne Wohlfahrt

Die Suche auf Google Maps war vielversprechend. Ein Hotel direkt an der Seine, fußläufig zur Altstadt und mit drei Sternen dekoriert. Was soll da in Westeuropa schon schiefgehen? Nun ja, die Seine, Frankreichs zweitgrößter Fluss nach der Loire, liegt tatsächlich nur 70 Meter vom Eingang entfernt. Bloß dazwischen befindet sich eine sechsspurige Hauptverkehrsstraße. Ruhig ist es hier also nie. Romantisch schon mal gar nicht.

Das wäre ja auch alles gar nicht so schlimm, wenn das Interieur unserer Herberge dafür in Ordnung wäre. Doch die Zimmer sind klein – sehr klein sogar. Zwischen Bett und dem Brett an der Wand, das ein Schreibtisch sein soll, sind 30 Zentimeter Platz. Das ist nicht viel, schon gar nicht, wenn so ein Raum nicht nur als Schlafplatz dient, sondern gleichzeitig auch noch als Büro und Wohnzimmer. Und das bis kommenden Samstag.

Aber ich darf mich nicht beschweren. Denn in meinen – offiziell – zwölf Quadratmetern befinden sich immerhin noch ein eintüriger Schrank, eine Heizung, ein Fenster, das sich schließen lässt, und kein Schimmel. Aus den Erzählungen der Kollegen, die ebenfalls in diesem von den WM-Oragnisatoren empfohlenen Journalistenquartier wohnen, ist bekannt, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Einer der Medienleute wurde beim Einchecken vor die Wahl gestellt: Entweder ein Raucherzimmer oder eines ohne Heinzug – alles natürlich zum vollen Preis. Und der liegt zwischen 87 und 97 Euro pro Nacht.

Nun könnte man natürlich rasch den Franzosen vorwerfen, sie wöllten uns ärgern – gerade uns Deutsche. Deswegen diese überteuerte Bruchbude. Es kann aber auch sein, dass Rouen gar nicht so viele nette Hotels zu bieten hat. Denn das Teamquartier der Nationalmannschaft sieht auch nicht anderes aus als eine in der Lobby aufgepeppte Jugendherberge. Und die befindet noch nicht einmal in der Nähe der Altstadt. Sondern zwischen Universität und Industriegebiet. Die Seine liegt auch nicht bloß hinter einer sechsspurige Straße. Bis ans Ufer sind es von dort fast fünf Kilometer.

– Arne Wohlfahrt ist Sportredakteur der „Wetzlarer Neuen Zeitung“.