Unter dem Radar des DHB

Leonie Dreizler (Mitte) steht für die Weiterentwicklung des Nellinger Teams. Fotos: Jörn Kehle

Es war noch mal so etwas wie Handball-Normalität. Und ich muss gestehen: Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es richtig war, dass überhaupt noch gespielt wurde, habe ich es genossen. Beim Drittligaspiel des TV Nellingen gegen die TuS Metzingen II war ich einer von 90 Menschen auf der Tribüne. Es war alles bestens organisiert und alle haben sich an die Regeln gehalten. Vor dem Spiel, in der Pause und danach war es mir auf dem Gang hinter der Tribüne trotzdem etwas zu voll. Aber da trugen alle Masken.

Das Spiel hat Spaß gemacht. Auch zu sehen, wie sich das Nellinger Team weiterentwickelt hat. Trainerin Veronika Goldammer scheint Recht zu behalten: Die vergangene Saison, die erste der Hornets nach dem Rückzug aus der Bundesliga, sollte eine Übergangsrunde sein. Die TVN-Frauen hatten Glück, dass sie weiterhin in der dritthöchsten Spielklasse dabei sein dürfen, obwohl sie zum Zeitpunkt des Abbruchs auf einem Abstiegsplatz standen.

Goldammer war davon überzeugt, dass das Team in Runde zwei besser dastehen und damit zeigen würde, dass es zurecht in der 3. Liga antreten darf. Zwei Spiele, zwei Siege steht im ersten Zwischenzeugnis. Der Auftakterfolg gegen Aufsteiger TSV Heiningen ist nicht überzubewerten. Das 29:28 gegen die TuSsies II aber ist ein Ausrufezeichen. Die Metzinger Verantwortlichen um Manager Ferenc Rott haben mit dem Team eine feine Kaderschmiede für ihr Bundesligateam aufgebaut. Viele Talente stehen im Kader, die irgendwann im Oberhaus zum Einsatz kommen sollen und vermutlich auch werden.

Das hat man individuell auch gesehen. Dass die Stärke der Metzingerinnen nicht gänzlich zum Tragen kam, war ein Verdienst der Nellingerinnen. Im Angriff haben sie zwar viel verballert, leichtfertig verballert. Aber die Abwehr stand. Meistens. Am meisten beeindruckt hat mich, dass die Hornets mental über 60 Minuten da waren und jede heikle Situation gemeistert haben. Etwa eine Viertelstunde vor Schluss habe ich damit gerechnet, dass das Spiel kippt. Vielleicht haben das auch die Metzingerinnen gedacht. Die Nellingerinnen haben zwar den Ausgleich kassiert, lagen aber nie in Rückstand – und kurz vor Schluss hat Leonie Dreizler den Siegtreffer erzielt. Ganz schön selbstbewusst.

Da musste es ohne Abstand gehen – aber sie spielen und trainieren ja auch gemeinsam: Die Nellingerinnen nach dem letzten Metzinger Freiwurf.

„Wenn sie vorne einen Fehler gemacht haben, haben sie hinten umso mehr gekämpft“, sagte Goldammer und war sichtlich stolz. Geadelt wurden die Hornets von Metzingens Trainerin Alexandra Kubasta, die früher selbst eine klasse Spielerin war und viele Derbys gegen Nellingen auf dem Spielfeld miterlebt hat. „Wir haben nie aufgegeben, aber das Spiel nicht an uns reißen können und kamen nicht mit der relativ offensiven Deckung Nellingens zurecht“, sagte Kubasta dem Kollegen vom Reutlinger General-Anzeiger am Telefon. Und: „Das war ein Spiel, aus dem man lernen muss.“ Klar, das Metzinger Team hat jede Menge Talent, aber ist jung. Wie das Nellinger.

Die Nellingerinnen werden aus dem Spiel vor allem lernen, dass sie in ihrer Entwicklung zwar auch noch eine weite Strecke vor sich haben, dass sie sich aber auf das verlassen können, was in ihnen steckt. Ähnlich drückte sich Dreizler aus. Auf meine Frage, ob sie in der Schlussphase auch befürchtet hatte, dass das Spiel kippen könnte, erklärte sie: „Wir haben schon gemerkt, dass es eng wird. Aber wir wussten aus der ersten Hälfte, dass wir es können.“ So kann es weitergehen.

Es geht aber – Themawechsel – zunächst nicht weiter. Wobei heute eine Meldung kam, die Mut macht. Zwar hat der DHB den Spielbetrieb der 3. Liga für zwei Wochen ausgesetzt, aber nach den Plochinger Männern haben nun auch die Nellingerinnen und die Frauen des TSV Wolfschlugen von ihrer jeweiligen Kommune das Go bekommen, dass sie zumindest trainieren dürfen. Das heißt, sollte es nach den zwei Wochen – oder auch nach vier – weitergehen, würde es kein Kaltstart. Wobei ich im Moment keinen Überblick darüber habe, wie es bei den Konkurrenten aussieht. Denn Sinn macht das ja nur, wenn zumindest die allermeisten Teams in der Lage sind zu trainieren. Bei den Mannschaften von der BWOL abwärts ist die Situation klar. Wie sie mit der Pause umgehen, ist in der Mittwochausgabe der EZ zu lesen.

Die momentane Situation ist kompliziert und der Stopp im Sport richtig. Der DHB macht jedoch eine sehr unglückliche Figur. Grundlage dafür, welche Teams spielen und trainieren dürfen, ist vereinfacht ausgedrückt die Frage, ob sie zum Profitum gezählt werden und damit vom Amateursportverbot ausgenommen sind oder nicht. Ich will das jetzt nicht im Detail ausführen, ich habe für die Montagausgabe der EZ ja ausführlich darüber geschrieben. Es gibt mehrere Kriterien, die für die eine oder die andere Auslegung sprechen. Aber: Während die Sportverbände insgesamt aus dem ersten Lockdown im Frühjahr gelernt und Lösungen für die verschiedensten Szenarien erarbeitet haben, hat es der DHB verpennt, diese wichtige Frage im Vorfeld zu klären. Hätte er das getan, hätte er auf die jetzige zweiwöchige Pause verzichten können. Denn die hat er ausgerufen, um Zeit für die Klärung genau dieser Frage zu gewinnen und ein Stimmungsbild bei den Vereinen einzuholen.

Im Moment spricht einiges dafür, dass es in der 3. Liga wie in den beiden Ligen drüber bald weiter geht. Nach meinem Gefühl zumindest etwas mehr als noch vor ein paar Tagen. Aber klar ist zurzeit wenig. Und am Ende sollte Hintergrund aller Entscheidungen die Frage der Gesundheit sein. Das Spiel am Sonntag in Nellingen, das vorerst letzte im EZ-Land, hat Lust auf mehr gemacht. Also: Haltet euch an die Regeln und Abstand. So kann jeder einen kleinen Teil dazu beitragen, dass es auch im Handball irgendwann wieder so etwas wie Normalität gibt.