Ich habe jeden Tag in der Redaktion mit Bildern zu tun. Manche bleiben einem aber auch nach vielen Jahren noch in Erinnerung. Dieses hier ist eines davon. Es zeigt Sandra Faustka im Mai 2011 in Celle. Die Handball-Frauen des TV Nellingen haben gerade auf schier unglaubliche Weise den Aufstieg in die Bundesliga verpasst. Ich habe noch nie an einem Tag so viele Frauen weinen sehen.
Anschließend hatte ich die Aufgabe, die vorbereitete Aufstiegsseite zu entsorgen und den EZ-Lesern zu berichten, was passiert ist
Im Jahr davor im Duell mit Rosengarten war es ähnlich eng, wenn auch nicht ganz so dramatisch (falls man das Wort im Zusammenhang mit Sport verwenden will). Auch da hat es ganz knapp nicht zum Satz in die höchste deutsche Spielklasse gereicht.
Warum ich das erzähle? Die Hornets setzen wieder zum Sprung in die Bundesliga an. Das kommt etwas überraschend, aber jetzt wollen sie es wissen. Der Verein jedenfalls hat jetzt grünes Licht gegeben. Mit dem Hinweis auf den Text meines Kollegen Andreas Müller dazu morgen auf Seite 20 der EZ möchte ich euch ins Wochenende entlassen.
Das war ein Handball-Wochenende, das es in sich hatte. Man spürt: Das Saisonende ist nicht mehr fern. Es wird gezittert, gehofft, gekämpft – und auch schon gefeiert. Deshalb erst einmal Gratulation an die Wolfschlugener Frauen zum souveränen Aufstieg in die BWOL. Im dritten Versuch hat es geklappt. Wenn man sich auf Facebook so umschaut, dann freuen sich viele mit den Wolfschlugenerinnen mit. Wir feiern das Team in der Mittwoch-Ausgabe der EZ noch ein bisschen. The whole story von meinem Kollegen Andreas Müller.
Da ist was gewachsen. Ich glaubte, die Zukunft der Wolfschlugenerinnen sieht auch in Liga vier nicht schlecht aus.
Den Frauenhandball im EZ-Land wirbelt es in der kommenden Saison ja ganz schön durcheinander. Während der HC Wernau freiwillig in die Bezirksliga runtergeht, obwohl das Team gerade auf Platz zwei der Württembergliga geklettert ist, und die Zukunft anderer Teams auch unsicher ist, sind die Landesliga-Frauen der SG Hegensberg/Liebersbronn auf dem besten Weg, uns die nächste Aufstiegsgeschichte zu liefern. Auf in die Württembergliga.
(Überraschend) gut sieht es auch bei den Zweitliga-Frauen des TV Nellingen (die am Wochenende nicht gespielt haben) und bei den BWOL-Männern des TSV Neuhausen aus. Die Maddogs haben gegen den TV Plochingen erfolgreich Revanche für die Hinspielniederlage genommen und Platz zwei gesichert. Der, das kann man nicht oft genug erklären, bedeutet am Ende direkt den Sprung in die 3. Liga. Ohne Relegation und so.
Aber der Vorsprung beträgt nur zwei Punkte. Und die Neuhausener dürften sich an das Aufstiegsrennen vor zwei Jahren erinnern, als sie hinten dran waren und am Ende vom Endspurt-Schwächeln des VfL Pfullingen profitiert haben. Also: durchhalten!
Richtig unübersichtlich ist die Regelung in den Tabellenkellern. Man muss sich das mal vorstellen: Der TSV Wolfschlugen, der gerade einen wichtigen Sieg gegen den TV Willstätt eingefahren hat, ist in der BWOL 13. Drei Mannschaften stehen schlechter da. Am Ende kann es sein, dass sogar der Fünftletzte in die Abstiegsrelegation muss. Ganz schön hart. Auch Wolfschlugens Mitaufsteiger Plochingen ist da noch nicht so weit weg.
Auf der Bank der Wolfschlugener sitzt längst und nicht ganz unerwartet Benjamin Brack, der ja ursprünglich erst in der kommenden Runde übernehmen sollte. Der Blick auf den Kader im Spiel gegen Willstätt ist auch interessant: Neben dem Dauer-Rückkehrer-Aushelfer Michael Kutschbach stand da auch Christoph Massong. Interimstrainer ist er ja jetzt nicht mehr, dann kann er wieder mitspielen.
In der BWOL weiß man also noch nicht, ob es drei oder vier Direktabsteiger gibt. Eins drunter in der Württembergliga ist klar, dass in der Nordstaffel der Vorletzte und im Süden der Drittletzte in die Abstiegsrelegation muss. Bleibt es so, wie es jetzt gerade ist, würde es tatsächlich zum EZ-Land-Duell HSG Ostfildern gegen TV Reichenbach kommen. Verhindern können das realistisch betrachtet nur noch die Reichenbacher, Ostfildern hat vier Spieltage vor dem Saisonende acht Punkte Rückstand auf den gesicherten TV Flein.
Reichenbach und Ostfildern haben am Wochenende keine Punkte verloren. Aber das Wie zeigt, dass die Lage doch ein bisschen unterschiedlich ist. Die Reichenbacher haben nach der Trennung von Trainer Daniel Hebisch in Spiel eins unter Werner Fischer mit viel Pech beim Vierten TV Weilstetten 33:34 gespielt. Ostfildern trat zum Aufeinandertreffen Vorletzter gegen Drittletzter an. HSG gegen Flein. Ein Strohhalm-Duell. Mit deutlichem Ergebnis: 21:29 aus Ostfilderner Sicht. Das hat schon Aussagekraft.
Es geht noch ein paar Wochen weiter mit zittern, hoffen, kämpfen. Und feiern.
Ich möchte euch heute kurz auf meinen Text in der morgigen Samstag-Ausgabe über die Probleme im Frauenhandball im EZ-Land aufmerksam machen. Ausgehend vom bevorstehenden Rückzug des HC Wernau aus der Württembergliga habe ich mich umgehört und auf satten 205 Zeilen zusammengetragen, womit andere Vereine so zu kämpfen haben und was die Beteiligten zu der Entwicklung meinen.
Bei der Recherche habe ich auch den Begriff vom „Mannschaftssterben im Frauenhandball“ gehört. Tatsächlich haben auch andere Vereine Probleme und erwägen einen Rückzug ihres Top-Teams. Aber es gibt auch positive Beispiele.
Zum Beispiel der TV Reichenbach. Der hat mit seinen Männern zurzeit allerdings andere Sorgen. Nach der für beide Seiten schmerzlichen Trennung von Trainer Daniel Hebisch sitzt morgen in Weilstetten zum ersten Mal Werner Fischer auf der Bank des abstiegsbedrohten Württembergligisten. Wir wünschen uns auch aus regionalem Interesse, dass der TVR noch mindestens einen Platz klettert und nicht in die Relegation muss. Denn in der anderen Staffel wird es für die HSG Ostfildern noch viel schwieriger, einen sicheren Platz zu erreichen. Und eine Abstiegsrelegation Ostfildern gegen Reichenbach will im EZ-Land wirklich niemand.
Es ist das vorläufige Ende von Spitzen-Frauenhandball in Wernau. Schon zum zweiten Mal – aber lassen wir die Geschichte. Das Team steht nach dem Abstieg aus der Baden-Württemberg Oberliga auf Platz drei der Württembergliga – wird dort in der kommenden Saison aber nicht mehr antreten. Nicht wegen eines möglichen Wiederaufstiegs, sondern weil der HCW das Team abmeldet.
Einige hat die Nachricht überrascht, andere nicht. Die Gründe für den Rückzug aber geben zu denken. Geld hat auch eine Rolle gespielt, ja. Aber wenn man den Vereinsverantwortlichen glaubt, war das nicht der Hauptgrund. Denn so „teuer“ wie er noch vor ein paar Jahren gewesen sein muss, ist der momentane Kader nicht. Von den „Stars“, mit denen der Verein noch vor zweieinhalb Jahren auf dem Sprung in die 3. Liga war, ist nur noch Tine Gall übrig. Und die (über das Spielfeld hinaus sehr engagierte) ehemalige Zweitliga-Spielerin beendet am Ende der Saison ihre Karriere.
Der Hauptgrund, den der Verein nennt, ist das Fehlen von Schaffern im Hintergrund. „Trotz des sportlichen Erfolgs während der letzten Jahre ist es nicht gelungen, den organisatorischen Aufwand langfristig für den leistungsorientierten Frauenhandball auf eine breite Basis zu verteilen“, heißt es im O-Ton auf der HCW-Homepage. Nachdem sich einige langjährige Ehrenamtliche zurückgezogen hatten, sind um den 1. Vorstand Markus Mangold nicht mehr viele Leute versammelt, um sowohl Männer- als auch Frauenhandball auf hohem Niveau zu stemmen. Und Mangold selbst, sagte er mir gestern, ist beruflich auch stark eingespannt. Handball ist auf diesem Niveau zwar schon Spitzensport, aber eben ein Hobby.
Der andere Grund ist, dass der HCW für die kommende Saison nur unter größter Mühe ein schlagkräftiges Team zusammenbekommen würde. Auch dafür braucht man Menschen, die das in die Hand nehmen. Gall hört auf, Trainer Robert Schenker wechselt nach Wolfschlugen. Und am Trainer hängt bei der Kaderplanung sehr viel. Erleichternd ist bestimmt auch nicht, dass in Sabrina Baumann nur noch ein Eigengewächs da ist, wie Mangold feststellt. Ernüchterung in Wernau.
Viele in der Szene haben in den vergangenen Jahren das Projekt in Wernau mit ehemaligen Bundesliga-Spielerinnen wie Maike Brückmann, Christiane Haas und Marion Radonic kritisch beäugt. Das Projekt kann als gescheitert betrachtet werden. Aber Häme ist völlig unangebracht. Es gibt bald ein Spitzen-Handballteam weniger im EZ-Land und damit einen Verein weniger, in dem Jugendspielerinnen eine Perspektive im eigenen Club haben. Wobei es ohnehin immer schwerer wird, Talente zu halten – ein Teil des Problems, mit dem nicht nur die Macher in Wernau kämpfen. Auch andere Vereine tun sich zurzeit sehr schwer.
Die Wernauerinnen treten in der kommenden Saison mit dem bisherigen zweiten Team in der Bezirksliga an. Wenn es ganz dumm läuft, gibt es dann beim HCW nur noch Bezirksliga-Handball. Dann nämlich, wenn die Männer den Klassenverbleib in der Landesliga nicht schaffen. Die Mannschaft ist zurzeit zwar ganz gut drauf, aber Drittletzter – das würde am Ende der Saison den Abstieg bedeuten.
Ich wünsche den HCW-Männern, dass sie drin bleiben. Den Frauen wünsche ich, dass sie die Saison ordentlich zu Ende spielen. Und dem Verein wünsche ich, dass er sich neu ordnet und von unten wieder etwas aufbauen kann.
Was ist los bei unseren Württembergligisten? Wenn man ganz schwarz sieht, könnte die frühere EZ-Land-Liga in der kommenden Saison EZ-Land-freie Zone sein. Nach den Aufstiegen von Deizisau, Wolfschlugen und Plochingen sind nur noch Ostfildern und Reichenbach übrig – und beide Mannschaften stehen im Moment auf dem Relegationsplatz. Dem Abstiegs-Relegationsplatz. Möglich ist das natürlich nur, weil sie blöderweise nicht in der gleichen Staffel spielen. EZ-Land-Derby-freie Zone haben wir also schon.
Bei den Reichenbachern konnte man eigentlich ein bisschen optimistischer sein. Die Ostfilderner haben schon einen beträchtlichen Rückstand auf einen sicheren Platz und können sich jetzt schon darauf einstellen, ihr Glück in der Relegation zu versuchen. Wobei nur vier Punkte nach 20 Spielen wirklich wenig ist und man sich die Frage schon erlauben darf, ob das rein sportlich für die Württembergliga reicht. Vor einem Jahr war es ja auch schon eng. Ich sehe die HSG gerne in der Württembergliga, aber auf Dauer kann es auch keinen Spaß machen, dauernd zu verlieren. In der laufenden Runde schon 18 Mal.
Bei den Reichenbachern ist der Fall ein bisschen anders gelagert. Die Mannschaft hat zumindest schon 14 Pluspunkte gesammelt und kann die Rettung ohne Relegation sportlich noch gut schaffen. Aber nur, wenn sie nach den beiden jüngsten Niederlagen wieder die Kurve kriegen.
Ich hab das 20:27 gegen Unterensingen gesehen – da konnte man kaum glauben, welche guten Leistungen der TVR in diesem Jahr schon abgeliefert hat. Okay, beim EZ-Pokal hat man auch gesehen, was in der Mannschaft steckt. Gegen Unterensingen kann man verlieren, das ist ein gutes Team, das in der Tabelle ja auch vor den Reichenbacher steht. Aber irgendwie war das alles nicht überzeugend, in allen Bereichen hat irgendwas gefehlt.
Trainer Daniel Hebisch war jedenfalls ziemlich frustriert. In der schwierigen Hinrunde hatte er mit großen personellen Problemen zu kämpfen, was auch die Trainingsarbeit erschwert hat. „Diese Ausrede habe ich jetzt nicht mehr“, sagte er und zuckte mit dem Schultern. Den Angriffen des TVR sah man jedenfalls kaum an, dass da mittlerweile unter der Woche richtig was einstudiert wird.
Aber es war ja schon anders. Die Reichenbacher müssten kapiert haben, welch große Chance sie vertan haben – aber immer noch haben. Hätten sie gegen Unterensingen und davor bei Winzingen/Wißgoldingen etwas geholt, hätten sie einen weiten Satz aus der Abstiegszone gemacht. So beträgt der Rückstand zwei Pluspunkte, alles noch im grünen Bereich.
Die Entwicklung in Reichenbach war in den vergangenen Jahren wirklich positiv. Es wäre schön, wenn es so weitergeht und sich die Mannschaft zumindest dauerhaft in der WL etabliert. Das Potenzial dazu ist zweifellos vorhanden. Bei Ostfildern ist ein bisschen mehr der Wurm drin. Aber vom Verein und dem Umfeld her gehört die HSG auch unbedingt mindestens in die Württembergliga. Mut macht der Blick auf den Nachwuchs: Die A-Jugend ist in der Württemberg Oberliga verlustpunktfrei Tabellenführer. Wobei man von den Jungen natürlich nicht erwarten kann, dass sie bei den Aktiven sofort die Württembergliga rocken.
Insgesamt also gilt: noch kein Grund zum Schwarzsehen.
Was man am vergangenen Wochenende auch gesehen hat: In der BWOL, der neuen EZ-Land-Liga, haben die Wolfschlugener zwar auch so ihre Probleme. Es sieht aber danach aus, dass nur aus einem Grund im Sommer aus vier drei Mannschaften aus dem Verbreitungsgebiet der EZ werden könnten: Wenn nämlich der TSV Neuhausen den Wiederaufstieg in die 3. Liga schafft. Da sieht es gut aus, auch, weil Deizisau Schützenhilfe geleistet und Verfolger Pforzheim/Eutingen einen Punkt abgenommen hat. Drücken wir die Daumen.
Es ist die Zeit des Jahres, in der wir in der Sportredaktion volles Programm haben. Die Fußballer der unteren Klassen spielen wieder, die Bundesliga ohnehin, die Wintersport-Saison läuft noch, die Wasserballer – im Verbreitungsgebiet der Eßlinger Zeitung und der Cannstatter Zeitung sehr wichtig – biegen in die entscheidende Phase der Saison ein. Und die Handballer sind natürlich auch alle im Einsatz.
Da ist viel zu tun und auf den Seiten wird es eng. Zum Beispiel in der Montag-Ausgabe. Wenn alles läuft, haben wir da acht Seiten zur Verfügung. An so was wie einen freien Sonntag ist nicht zu denken. Der überregionale Teil wird in der Regel mit zwei Seiten Fußball-Bundesliga, einer Mischseite, einer Ergebnis-Seite und einer Wintersport-Seite bestückt. Im Lokalen, und das spiegelt die Kräfteverhältnisse in der Region wider, haben wir eine Seite Fußball und zwei Seiten Handball. Tischtennis, Radball (bei uns auch wichtig), Badminton undsoweiter folgen in der Dienstag- und Mittwoch-Ausgabe. Genauso wie die unteren Handballklassen und der Jugendhandball, dem in der EZ so viel Platz eingeräumt wird, wie ich es von keiner anderen Zeitung kenne.
Aber wie den Platz füllen? Was groß machen, was klein? Zu welchem Text ein Bild stellen und entsprechend die Fotografen einteilen? Wie Termine besetzen? Gesetzt ist der VfB. Auch bei Frauen-Zweitligist TV Nellingen ist (fast) immer jemand. Bei überregional wichtigen Teams mit regionalem Charakter wie Frisch Auf Göppingen, TVB Stuttgart, Stuttgarter Kickers oder den Stuttgarter MTV-Volleyballerinnen werden wir von treuen freien Mitarbeiter(inne)n versorgt, bei Frisch Auf etwa seit Jahren kompetent von Kerstin Dannath.
Was alle anderen Mannschaften betrifft, so haben wir die Freude und die Schwierigkeit, es mit vielen, vielen Teams auf ähnlich hohem Niveau zu tun zu haben. Ein TV Plochingen etwa oder ein TV Reichenbach oder eine HSG Deizisau/Denkendorf wäre bei vielen Lokalzeitungen das Aushängeschild. Wir aber haben nicht nur den TVP, den TVR oder die HSGDD. Und wir haben auch nicht zehn Redakteure und zehn Lokalsportseiten in der Montag-Ausgabe – diesen Lesestoff würde im Übrigen niemand schaffen.
Also wechseln wir ab, schauen nach Derbys, schauen auf die Tabellensituation. Nehmen wir das kommende Wochenende: Beim Bundesliga-Derby zwischen dem VfB und 1899 Hoffenheim ist mein Kollege Hannes Kern, bei den Hornets in Nellingen Andreas Müller, dann haben wir mit einem freien Mitarbeiter das Fußball-Spiel-der-Woche (SV 1845 Esslingen gegen TSV Baltmannsweiler) besetzt. Ich gehe (sehr gerne) zum letzten Vorrundenspiel der SSVE-Wasserballer, in dem es gegen die White Sharks Hannover darum geht, ob es zum wichtigen vierten Platz reicht.
Und dann gehe ich noch zu einem Handballspiel. Und da muss eben eine Entscheidung her. Deizisau/Denkendorf? Würde ich gerne hin und wäre auch spannend. Der Termin mitten am Sonntag ist ein bisschen schwierig, da ich da in der Redaktion als Planer im Einsatz bin. Es muss ja auch noch jemand Zeitung machen – und glaubt mir, das ist mehr Aufwand als man es glaubt und den Seiten ansieht. Plochingen? Auch interessant. Ist aber kein Derby, die Mannschaft steht in der BWOL als Aufsteiger gut da und da waren wir in dieser Saison auch schon ein paar Mal.
Reichenbach oder Ostfildern? Gute Idee. Bei vier BWOL-Teams stehen unsere beiden Württembergligisten ein bisschen im Schatten. Beide kämpfen gegen den Abstieg. Beide spielen (wie Plochingen) am Samstag um 20 Uhr. 16 Uhr Wasserball, 20 Uhr Handball. Passt. Kleiner, netter Nebenaspekt: Beide Teams bekommen Besuch von alten EZ-Land-Recken. Ostfildern erwartet die SG Leonberg/Eltingen mit Frank Ziehfreund, Reichenbach den SKV Unterensingen mit Steffen Rost. Für beide Spiele spricht etwas.
Ich gehe nach Reichenbach, so. Und bin gespannt, ob die Mannschaft von Trainer Daniel Hebisch nach dem ordentlichen Start ins Handballjahr und dem jüngsten Rückschlag gegen Winzingen/Wißgoldingen gegen den SKV etwas reißt und einen weiteren Schritt in Richtung Klassenverbleib macht. Ostfildern wünsche ich – sorry, Frank Ziehfreund – natürlich einen Erfolg gegen Leonberg/Eltingen. Und allen anderen wünsche ich auch einen Sieg. Wir werden von den Spielen, bei denen wir nicht selbst in der Halle sind, wie immer bestens von Trainern, Co-Trainern, Spielern oder Funktionären versorgt und werden die Texte entsprechend ins Blatt heben.
Ich hoffe, ich hab euch jetzt nicht mit Einblicken in die Arbeit der EZ-Sportredaktion gelangweilt. Wenn ja, verspreche ich, was Ordentliches von meinen Wochenend-Terminen zu liefern. Das wird ein volles Wochenende: Samstag Wasserball und Handball, Sonntag fünf überregionale Sportseiten planen und schreiben. Ich liebe diesen Beruf.
Die Handballerinnen des TV Nellingen sind immer noch Zweiter. Sie haben immer noch die Chance auf den Aufstieg – auch wenn das keinerlei Vorgabe des Vereins war. Aber jetzt das: Nach zuvor sage und schreibe 13 Spielen ohne Niederlage – davon elf Siege – gab es nun zwei Pleiten in Folge. Erst beim TV Beyeröhde, dann bei der HSG Bensheim/Auerbach.
Geht den Nellingerinnen die Puste aus? Ich denke, es wäre viel zu früh, das zu behaupten. Und dagegen spricht auch die Höhe der Ergebnisse in Zusammenhang mit Aussagen von Trainer Pascal Morgant: Beide Niederlagen waren sehr knapp und die Siege davor waren ebenfalls keine Selbstläufer, sondern entsprangen oft harter Arbeit. Darauf hat der Coach mehrfach hingewiesen uns ist auf dem Teppich geblieben.
Alles im grünen Bereich also bei den Hornets.
Mir fällt in diesen Tagen aber auch die Entwicklung bei einem anderen Frauenhandball-Team der Region auf, etwas außerhalb des EZ-Landes – und vor noch nicht allzu langer Zeit auf Augenhöhe mit den Nellingerinnen: Die TuS Metzingen hat sich mittlerweile als eines der stärksten deutschen Frauenteams in der Bundesliga etabliert. Und am Wochenende einen Erfolg eingefahren, den mein Kollege Frank Pleyer vom Reutlinger Generalanzeiger so kommentiert: „Die Metzinger Bundesliga-Spielerinnen sind die Mannschaft der Stunde im deutschen Frauenhandball. Wettbewerbsübergreifend ist das Team seit zehn Spielen unbesiegt. Zudem steht es in seinem Debüt-Jahr im EHF-Cup bereits im Halbfinale. Es scheint inzwischen keine Grenze mehr für den Club aus dem Ermstal zu geben. Die bravouröse Leistung gegen den HC Leipzig kann nicht hoch genug bewertet werden. Wer den Rekordmeister und Erstliga-Tabellenführer, der international seit Jahren eine feste Größe ist, aus dem Wettbewerb wirft, der hat eindrücklich seine Klasse nachgewiesen.“
Wollt ihr ein bisschen teilhaben? Dann hier der komplette Bericht des Kollegen vom 27:25-Sieg der Tussies im EHF-Cup-Halbfinale in Dessau gegen Leipzig. Stark. Und nicht neidisch werden, liebe Nellingerinnen.
Gala in der Höhle des Löwen
VON FRANK PLEYER
DESSAU. Leipzigs Shenia Minewskaja fasste sich an den Kopf, als könne sie das Ganze nicht glauben, während die Metzinger Bundesliga-Handballerinnen nach der Schluss-Sirene ihrem Jubel freien Lauf ließen, hüpften und tanzten. Die mitgereisten Fans skandierten »Auswärtssieg! Auswärtssieg!« und feierten die »TusSies« begeistert. Die TuS war am Sonntag über sich hinausgewachsen und hatte mit dem souveränen 27:25 (12:10)-Triumph beim Liga-Rivalen HC Leipzig den Einzug ins EHF-Cup-Halbfinale perfekt gemacht. Dort trifft das Team am 2./3. und 9./10. April auf den rumänischen Spitzenclub Corona Brasov. Für die TuS war es wettbewerbsübergreifend der zehnte Sieg in Folge seit Anfang Januar.
Nicht nur Anna Loerper war »wahnsinnig happy«. Man habe gewusst, dass Leipzig den Druck haben würde, wenn man lange die Partie eng halte. »Genauso ist es gekommen. Und Bine hat überragend gehalten«, lobte die Handballerin des Jahres TuS-Torhüterin Sabine Stockhorst, die mit 17 Paraden in der Höhle des Löwen brillierte. »Das Zusammenspiel Abwehr und Torhüterin hat sehr gut geklappt. Nur ein paar Minuten lang in der zweiten Halbzeit, als Leipzig aufholte, war es ein bisschen stressig«, meinte lächelnd die torgefährliche Tonje Löseth.
Von Beginn an entwickelte sich ein temporeiches Spiel. Der HC Leipzig gab deutlich mehr Gas als in den beiden voran gegangenen Begegnungen, als die TuS in der Bundesliga (26:23) und im EHF-Cup-Hinspiel (25:24) jeweils die Oberhand behalten hatte. In der Dessauer Anhalt-Arena, wo der HCL international zuvor noch nie verloren hat, entwickelte sich die erwartete kampfbetonte Partie, in der beide Abwehrreihen erneut dominierten.
Holz-Treffer hüben wie drüben, ebenso Ballverluste in diesen Bereichen schenkten sich beide Mannschaften nichts. Der TuS unterliefen zunächst zwar mehr Fehler, doch glich dies Sabine Stockhorst mit sieben Paraden bis zur Pause aus. Die Torhüterin hatte sich im Aufwärmen an ihrem rechten Ringfinger leicht verletzt und spielte dann mit einem Tapeverband. Stockhorst stahl auch Kataj Kramarczyk im HCL-Tor die Schau.
Das größte Problem für die Gäste aus dem Schwabenland, die von knapp 40 mitgereisten Fans lautstark angefeuert wurden, war anfangs die Chancenverwertung. Bernadett Temes, die in den beiden vorangegangenen Partien insgesamt zwölf Siebenmeter verwandelt hatte, scheiterte mit ihrem ersten Versuch an Nele Kurzke. Danach war auch Anna Loerper gegen Kramarczyk zweite Siegerin. In der Folge »saßen« die Metzinger Strafwürfe aber wieder. Auf der Gegenseite fand Luisa Schulze immer wieder die Lücke in der Metzinger Abwehr.
Mehrfach legte das Team von TuS-Trainer Csaba Konkoly zwei Tore vor (6:4/10. und 12:10/30.), immer wieder kamen die Gastgeberinnen zurück. Nach 33 Minuten war alles offen (13:13). Die starke Norwegerin Tonje Löseth (insgesamt sieben Tore) und ein Konter von Katharina Beddies brachten die Konkoly-Schützlinge vor 1 581 Zuschauern wieder mit zwei Toren in Führung (16:14/38.). Die TuS blieb am Drücker, man merkte dem Team an, dass es unbedingt den Halbfinal-Einzug wollte. Linksaußen Beddies überwand Leipzigs Nationaltorhüterin zum 20:16 (44.). Leipzig wurde nervös, verlor wiederholt den Ball oder scheiterte an Stockhorst. Doch plötzlich hielt Kramarczyk stark. Die HCL-Torhüterin parierte nun ein ums andere Mal, ihr Team konterte. Saskia Lang lief heiß, warf in drei Minuten drei Treffer – 20:21 (48.). Die Partie wurde zum Krimi.
Die TuS blieb abgeklärt, nervenstark. Mit all ihrer Erfahrung hämmerte Loerper einen verdeckten Wurf zur 25:22-Führung (53.) in die Maschen ein Klasse-Tor. Julia Behnke legte mit dem 26:23 nach – das war die Vorentscheidung (54.). Die Leipzigerinnen waren bitter enttäuscht. »Wenn man so viele einfache Fehler macht, kann man einfach nicht gewinnen«, kritisierte die Ex-Metzingerin Minewskaja.
So intensiv habe ich das in den vergangenen Jahren nicht erlebt. Fast jede Woche tut sich im EZ-Land was in Sachen Trainer. Von „Trainerbeben“ habe ich vor einiger Zeit schon geschrieben. Und es bebt weiter.
Die neuste Personalie ist wirklich eine interessante. Ich hatte ja gedacht, dass Robert Schenker in Wernau weitermachen würde. Getäuscht habe ich mich. Schenker, der von gut einem Jahr bei den HCW-Frauen eingestiegen ist, stand wohl schon länger mit Wolfschlugen in Kontakt. Offensichtlich seit bekannt war, dass Rouven Korreik dort aufhört. Und wer hat den Kontakt hergestellt? Nicht Wolfgang Stoll, der ja in der Großregion wahrlich jeden kennt, der was mit Handball zu tun hat. Nein, Korreik war’s, dem ganz offensichtlich sehr daran gelegen ist, dass die Wolfschlugener Frauen in gute Hänge kommen.
Spannend ist die Personalie nicht nur, weil aus dem Problem des TSV Wolfschlugen nun das Problem des HC Wernau wird. Die beiden Teams sind seit Jahren die schärfsten Konkurrenten. Lange lag Wernau vorne. Seit dort der Aufwärtstrend gestoppt (oder unterbrochen?) und das Team spätestens seit dem Wiederabstieg in die Württembergliga kleinere Brötchen backen muss, ist Wolfschlugen vorbeigezogen. Allerdings nicht weit. Am Wochenende ist durch Wolfschlugener Niederlage und Wernauer Sieg der Abstand zwischen dem Ersten und dem Dritten der Tabelle auf sechs Plus- und vier Minuspunkte geschmolzen.
Interessant übrigens, was Wernaus Routinier Tine Gall zu dem Wechsel sagt: „Das war seine Entscheidung.“ Punkt.
Am Ende der Saison werden die Wolfschlugenerinnen aber wohl den Männern des eigenen Vereins folgen und endlich den Sprung in die BWOL schaffen.
Langsamer Aufbau nennt man das. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Denn die Wolfschlugener Frauen waren eigentlich vor den Männern dran, scheiterten dann aber knapp. Jetzt scheint es zu klappen. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass Korreik alles daran setzen wird, dem Mann, den er angeschleppt hat, das Team in der vierthöchsten Spielklasse zu übergeben.
Es ist schon stark, was sie in Wolfschlugen machen. Kein anderer Verein im EZ-Land ist gleichzeitig bei den Männern und den Frauen so erfolgreich – zumindest allein. Der TSV Deizisau arbeitet bei den BWOL-Frauen ja mit dem Nachbarn TSV Denkendorf zusammen.
Bei den Frauen ist der – trotz jüngster Niederlage – aufstiegsgefährdete Zweitligist TV Nellingen unangefochtener Platzhirsch. Bei den Männern hat der TSV Neuhausen leicht die Nase vorn – und wieder etwas weiter, wenn es mit dem x-ten Wiederaufstieg in die 3. Liga klappt. Was glaube ich alle im EZ-Land der Mannschaft wünschen. Aber Männer und Frauen eines Vereins in der BWOL – das ist was. Und das, muss man auch mal erwähnen, im Hintergrund mit den gleichen Machern und Schaffern.
In Wolfschlugen sind sie mit zwei neuen Trainern in der kommenden Saison jedenfalls gut aufgestellt. Benjamin Brack bei den Männern und Robert Schenker bei den Frauen. Ich bin gespannt, wie sie in Wernau reagieren. Veit Wager wird ja frei (obwohl ich mir das nicht richtig vorstellen kann) und Horst Fritz ist auch noch zu haben. Oder hab ich da was verpassst? A propo Wager und Fritz: Die große Frage ist immer noch, wen die HSG Deizisau/Denkendorf präsentiert. Und wann. Eine wichtige Entscheidung für die HSG. Denn nach dem Weggang von Wager steht das Team so ein bissle am Scheideweg.
Es bleibt spannend. Und bei aller Fluktuation kann ich mir schon so langsam Gedanken darüber machen, wen ich in ein paar Wochen zur Wahl des Trainers der Saison im EZ-Land nominiere. Das Saisonende kommt schneller als man denkt.
Es hat eine Weile gedauert, bis beim TSV Deizisau endlich die Vertragsverlängerung von Trainer Mike Wolz und seinem Assistenten Daniel Kraaz verkündet wurde. Und wie immer gibt es Gerüchte, wenn so etwas so lange dauert. Vor einigen Wochen schon hieß es, dass die Sache schon durch wäre. Dann hörte man, Wolz denke darüber nach, bei der Mannschaft, die er in die Baden-Württemberg Oberliga geführt hat, aufzuhören. Dann wurde doch Vollzug vermeldet. Die ganze Geschichte dazu am morgigen Samstag in der EZ (Seite 20).
Wolz/Kraaz und Deizisau, das ist eine Erfolgsgeschichte. Klar, könnte man sagen, dann muss das Duo auch weitermachen. Moment, könnte man sagen, was soll da noch kommen? Nach drei Jahren kann man schon mal darüber nachdenken, etwas anderes zu machen. Und das hat Wolz getan. Und er bestreitet es auch erst gar nicht. Anfragen anderer Vereine gab es jedenfalls einige.
Einer der wichtigsten Gründe, warum er schließlich zugesagt hat, ist interessant. Die Möglichkeit, weiter in der Tabelle zu klettern oder gar die 3. Liga anzugreifen, war es nicht. Im zweiten Jahr nach dem Aufstieg wie im ersten einen sehr ordentlichen vorderen Mittelfeldplatz zu belegen ist aller Ehren wert. Und es wäre bei einem Verein wie dem TSV Deizisau, bei dem im Hintergrund von vielen fleißigen Ehrenamtlichen alles hart erarbeitet werden muss, vermessen zu sagen, dass der Verein mal eben die Strukturen – und das Geld – für die immer professioneller werdende dritthöchste Spielklasse aus dem Ärmel schüttelt. Nein, viel mehr als der momentane sechste Platz ist erstmal nicht drin. Und muss es auch nicht sein.
Deizisau hat eine Mannschaft mit vielen Spielern im besten Handballer-Alter. Sie haben zusammen die Erfolge der vergangenen Jahre erkämpft. Also sagte die Vereinsführung: Ewig werden die älter werdenden Jungs nicht mehr zur Verfügung stehen. Einer sicher und zwei weitere vielleicht werden im Sommer schon gehen. Ein Verjüngungsprozess muss her. Als Wolz und Kraaz diese Vorgabe hörten, mussten sie nochmal nachdenken. Neue Herausforderung – wird nicht einfach, aber passt. Auch für Kraaz, der ja immer mal wieder als Chefcoach bei einem anderen Verein gehandelt wird. Er kann es mit den Jungen. Und das kann Wolz nur recht sein.
Das ist wohl die wichtigste Erklärung dafür, warum es beim TSV Deizisau mit der Verkündung doch so lange gedauert hat. Natürlich steckt in der Sache auch eine Gefahr. Es wäre nicht das erste Mal, dass im vierten Jahr der Glanz bröckelt und mit ausbleibenden – oder zumindest weniger – Erfolgen die Unzufriedenheit im Umfeld wächst. Ich denke, das wird Wolz in seine Überlegungen mit einbezogen haben.
Wir alle müssen die Mannschaft in Zukunft nicht unbedingt daran messen, ob sie Sechster oder gar Vierter oder nur Neunter ist. Sondern, wie der Generationenwechsel funktioniert. Vielleicht kommt der noch nicht geballt im Sommer. Aber er kommt.
P.S.: Bestandaufnahme im EZ-Land-Trainerkarussell: TSV Wolfschlugen Frauen und HSG Deizisau/Denkendorf Frauen ist noch offen, Reichenbach Frauen dagegen nicht mehr. Ich kenne den Neuen, Uwe Pätzold, nicht. Aber wenn man ein wenig Recherche betreibt, kommt man zu dem Schluss, dass die TVR-Macher da einen richtig Guten verpflichtet haben. Hoffentlich bleibt das Team in der Württembergliga.
Handball ist Petry. Hä? So wie mir ging es vielen Freunden des Handballsports und sonstigen Lesern, als sie den Artikel „Die Alternative für Deutschland“ von Wolfram Eilenberger auf Zeit Online gelesen haben. Ich habe davon zuerst durch empörte Kommentare auf Facebook etwa von Manuel Späth, anderen Handballern oder Kollegen aus der gesamten Republik mitbekommen. Hier dazu eine Meinung meines Kollegen Ralf Mittmann vom Südkurier, einem unserer Kooperationspartner der G14+. Die möchte ich euch nicht vorenthalten. Ist lang, aber bis zur letzten Zeile interessant zu lesen. Danke an Ralf, der hier gerne Gast-Autor spielt.
Von Handball, fehlendem Respekt und geistigem Müll
Philosoph Wolfram Eilenberger hat die deutschen Handball-Europameister in die nationalistische Ecke gerückt. Schlimmer geht’s nicht.
VON RALF MITTMANN
17,7 Millionen Fernsehzuschauer sahen am 31. Januar den grandiosen 24:17-Erfolg der deutschen Handballer im Finale der Europameisterschaft gegen den Favoriten Spanien. Es darf wohl angenommen werden, dass sich diese 17,7 Millionen mit den Europameistern gefreut haben und vermutlich noch einige Millionen mehr, die aus was für Gründen auch immer nicht zusehen konnten. Es war eine Sternstunde des Sports, unverhofft, impulsiv, emotional, die zweifelsfrei Applaus verdient hatte. Und Anerkennung. Und Respekt.
Einer sieht das anders. Wolfram Eilenberger (43), Philosoph aus Freiburg, Buchautor, Zeitungskolumnist und auch Träger des in sechs Jahren vor seiner abrupten Einstellung 2915 dreimal vergebenen Mindelheimer Philosophiepreises, hat sich im Format seiner Zeit-Online-Kolumne „Kabinenpredigt“ den deutschen Handballern mal so richtig angenommen und hinter die nackten Resultate geschaut. Es wurde ein Pamphlet mit dem Titel „Die Alternative für Deutschland“ und den Unterzeilen: „Blutnah und widerständig: Wir haben den Handball wiederentdeckt. Weil diese Mannschaft eine kartoffeldeutsche Sehnsucht bedient, die gerade wieder schwer im Kommen ist.“
Der erste Eindruck: Das muss eine Satire sein! Mit Blick auf das Überraschungsteam von Bundestrainer Dagur Sigurdsson formuliert Eilenberger Zeilen wie diese: „Authentizität im Auftritt mischt sich mit schmerzaffiner Unmittelbarkeit: Kein Winseln, kein Wälzen, kein Reklamieren. Keine eingestickten Hundenamen auf Finalschuhen!“ Satire, natürlich.
Doch der zweite Eindruck lehrt: Unfassbar, keine Satire! „Ehrlicher Sport von ehrlichen Männern für ehrliche Bürger, herzhaft, blutnah, widerständig“, urteilt der Herr Philosoph. Er nennt Handball „urwüchsig, herkunftsstark, heimatverbunden“ und nähert sich dem Kern seiner Aussage. Rein deutsch sei dieser Sport und damit „sozialdynamisch irgendwo vor drei Jahrzehnten stecken geblieben“. Ganz im Gegensatz zum Fußball, den Eilenberger liebt und den er in der Autoren-Nationalmannschaft ausübt, die vom Deutschen Fußball-Bund gesponsert wird. Also lobt er „Jogi Löws bunt gemischte Multi-Kulti-Truppe“ als leuchtendes Beispiel „für eine gesamtgesellschaftliche Utopie“, als „Spiegel und Projektionsfläche allgemeiner Sehnsüchte“. Das klingt ja nicht schlecht, doch dann fragt der Mann: „Welches Wunschdeutschland verkörpert dann die Handballmannschaft?“ Und er weiß selbstverständlich die Antwort: „Bereits ein erster Blick auf das Mannschaftsfoto erhellt: Das frische Erfolgsteam hat keinen einzigen Spieler mit dunkler Hautfarbe oder auch nur südländischem Teint. Es handelt sich, mehr noch, um eine Mannschaft ohne jeglichen Migrationshintergrund. 100 Prozent kartoffeldeutsche Leistungsbereitschaft. Wir listen die Vornamen der Spieler vollständig: Hendrik, Finn, Erik, Christian, Steffen, Jannik, Niclas, Steffen, Fabian, Simon, Tobias, Johannes, Carsten, Andreas, Rune, Martin. Alle Achtung! Das muss man 2016 in diesem Land erst einmal hinbekommen.“
Das ist schon starker Tobak, aber immer noch nicht alles. Denn damit, so Eilenbergers Sicht der Dinge, „wäre auch die gesellschaftlich-politische Alternative benannt, für die Handball in der nun neu entfachten Imagination des Sportfans steht: Er verweist mit aller Macht auf eine selig verklärte, deutsche Reihenhausvergangenheit der achtziger Jahre. Wenn Fußball Merkel ist, ist Handball Petry.“ Ja, Frauke Petry von der AfD, die mit den Visionen vom Schießbefehl.
Genug jetzt der Polemik? Genug jetzt des geistigen Dünnschisses? Nein! „Ich könnte jetzt noch sagen, dass der einzige Ausländer des Teams, der Trainer, aus Island stammt und das ebenfalls perfekt ins nordisch-arisierte Bild passt“, fährt der 43-jährige Gelehrte fort und schließt mit den Worten: „Handball als Alternative für Deutschland? Danke, nein.“ Exakt. Danke, nein, Herr Eilenberger.
Wolfram Eilenberger hat Resonanz bekommen. Der Deutsche Handball-Bund hat sich beschwert und prüft rechtliche Schritte. Zeit Online erntete einen Shitstorm, in über 600 Leser-Kommentaren wurde der Autor teils heftig attackiert. Der Chefredakteur von Handball World“, Christian Ciemalla, hat Eilenberger mangelnde Recherche und das Bedienen von Vorurteilen vorgeworfen. Er hat den gesamten Aufbau des Artikels „Scheiß“ genannt und den großen Philosophen dann auch noch vorgeführt, indem er, super Idee, sich das Impressum von Zeit Online angesehen und dort folgende Vornamen der Redaktionsmannschaft gefunden hat: „Jochen, Maria, Markus, Martin, Christoph, Meike, Kirsten, Christian, Katharina, Monika, Alexander, Karsten, Kai, Philip, Astrid, Sascha… – alle Achtung! Das muss man 2016 in diesem Land erst einmal hinbekommen“, schrieb Ciemalla und ergänzte: „Oder anders: Wenn Fußball Merkel ist, ist Die Zeit Petry.“
Eilenberger versucht inzwischen, seinem Pamphlet einen besonderen Anstrich zu verpassen. Es habe sich um einen „kalkulierten Tabubruch“ gehandelt. Das ist durchsichtig, weil er in ersten Reaktionen doch zu sehr von sich und seiner Meinung überzeugt war.
Es bleibt dabei: Den Erfolg der deutschen Handballer in die nationalistische Ecke zu stellen, weil es der Sportart generell und dem Nationalteam im besonderen an Migranten fehlt, ist eine schlimme Entgleisung, die am Ende nicht mal nur den Handball trifft. Volleyball, Hockey, Tennis, Rudern, Radsport, Skifahren und Skispringen, Biathlon und Eisschnell- wie Eiskunstlauf – am Ende alles kartoffeldeutsch im Sinne Eilenbergers, der sich geistig verdribbelt hat und, schlimm, nicht den geringsten Respekt kennt. Dabei gibt es eine zutiefst einfache Erklärung, warum es im Fußball mehr Migranten gibt als in anderen Sportarten: Gekickt wird überall in der Welt, es gibt mehr Möglichkeiten, mehr Vereine, Fußball dominiert den Sport, ja, auch in den Medien. Und es gibt auch eine einfache Erklärung, warum es um die Handballsieger von Krakau eine Euphorie gibt und ihnen die Sympathien zufliegen: Weil sie großen Sport boten, weil sie trotz des Leistungsdrucks auch noch Spaß vermittelten, weil sie sich erfrischend natürlich präsentierten – und weil es eben verdammt egal ist, auf welche Vornamen sie hören.
Zitate
„Kein Winseln, kein Reklamieren. Herzhaft, blutnah, widerständig. Urwüchsig, herkunftsstark, heimatverbunden. Eine Mannschaft ohne jeglichen Migrationshintergrund. 100 Prozent kartoffeldeutsche
Leistungsbereitschaft.“
Wolfram Eilenberger über die deutschen Handball-Europameister
„Wir listen die Vornamen der Spieler vollständig: Hendrik, Finn, Erik, Christian, Steffen, Jannik, Niclas, Steffen, Fabian, Simon, Tobias,
Johannes, Carsten, Andreas, Rune, Martin. Alle Achtung! Das muss man 2016 in diesem Land erst einmal hinbekommen.“ Wolfram Eilenberger
„Die gesellschaftlich-politische
Alternative, für die Handball in der Imagination der Sportfans steht: Er verweist mit aller Macht auf eine selig verklärte, deutsche Reihenhausvergangenheit der achtziger Jahre. Wenn Fußball Merkel ist, ist Handball Petry.“ Wolfram Eilenberger
Zur Person
Wolfram Eilenberger (geb. 7. August 1972 in Freiburg) studierte Philosophie, Psychologie und Romanistik in Heidelberg, Turku und Zürich. 2008 wurde er in Zürich mit einer Arbeit zur Kulturphilosophie Michail Bachtins zum Doktor der Philosophie promoviert. Eilenberger ist Buchautor, Chefredakteur des „Philosophie Magazin“ und Zeitungskolumnist. Er lebt mit seiner Familie in Berlin und Toronto.